Ein Open Innovation Ansatz ist eine gute Möglichkeit für Entscheider:innen, die Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens zu verbessern. Um neue Ideen zu generieren, macht es in heutiger Zeit Sinn, den Open Innovation Ansatz als Führungsinstrument zu nutzen. Doch neben dem Vorteil eines offenen Innovationsansatzes existieren auch Risiken.
In diesem Leitfaden erhalten Entscheider:innen einen Überblick über:
• aktuelle Erkenntnisse zu Open Innovation,
• Tipps für die Umsetzung und
• Hinweise auf Stolperfallen.
Open Innovation ist ein Ansatz, der sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Führungsinstrument entwickelt hat. Es geht darum, Ideen und Wissen aus dem Unternehmen herauszubringen und externe Quellen (Ökosysteme) wie Kund:innen, Forscher:innen und Partner:innen mit einzubeziehen. Indem Unternehmen auf externe Ideen zugreifen, können sie neue Märkte erobern und ihren Wettbewerbsvorteil verbessern.
Im traditionellen Verständnis wird vielfach noch immer die eigene F&E-Abteilung als abgekapselter Bereich verstanden, die die Quelle für Innovation ist. Unternehmen, die zu sehr auf ihre internen Möglichkeiten fokussiert sind, übersehen jedoch, dass es in Zeiten mit immer kürzeren Produktlebenszyklen, unsicherer Marktnachfrage und steigenden F&E-Kosten eine Innovationsstrategie mit offenen Geschäftsmodellen braucht.
Eine effektive Implementierung von Open Innovation erfordert eine offene Kommunikation, gute Zusammenarbeit und ein hohes Maß an Engagement aller Beteiligten. Die Organisation muss die richtige Unterstützung bieten, um den Prozess voranzutreiben und alle Beteiligten zu ermutigen, ihre Ideen freizugeben. Gleichzeitig sollte die Organisation auch in der Lage sein, externe Beiträge effektiv zu nutzen.
Zudem spielt die Kultur des Unternehmens bei einem offenen Innovationsansatz eine entscheidende Rolle. Open Innovation wird vom C-Level Management vorgelebt. Sie übernehmen eine wichtige Aufgabe bei der Institutionalisierung eines offenen Innovationsansatzes. Andernfalls laufen Open Innovation Projekte isoliert ab und passen nicht in das strategische Portfolio. [3]
Im Innovationsmanagement wird zwischen den beiden Paradigmen der Open Innovation und Closed Innovation unterschieden. Im Grunde bestimmen sie die Art und Weise, wie Innovation entsteht. Bei Closed Innovation nutzt eine Organisation seine eigenen Ressourcen, innerhalb des abgeschlossenen Unternehmensumfeldes. Open Innovation hingegen bezieht externes Wissen in das Innovationsmanagement mit ein. [1]
Warum Open Innovation gegenüber Closed Innovation Vorteile hat, erklärt sich unter anderem mit dem exponentiellen Paradox:
Was ist das Exponentielle Paradox?
Der technologische Fortschritt verläuft exponentiell, aber das wirtschaftliche Produktivitätswachstum geht zurück. Henry Chesbrough leitet unter anderem aus dem exponentiellen Paradox die Notwendigkeit von Open Innovation ab: Um das Potenzial der Exponentialtechnologien voll auszuschöpfen, muss der Innovationsprozess geöffnet werden. [4]
Closed Innovation wird als eine vertikale Integration verstanden, bei der Innovationen ausschließlich intern entwickelt werden. Der Closed Innovation Ansatz verliert aufgrund von Kosten, Zeit und Risiken jedoch immer mehr an Bedeutung.
Hier kommt Open Innovation ins Spiel. Der Ansatz des Open Innovation Modells gilt seit geraumer Zeit als Lösung, um die internen Kosten gering zu halten, eine schnellere Markteinführung sicherzustellen und das Risiko zu teilen.
Die Globalisierung und rasch verändernde Situationen zwingen Unternehmen zum Teil dazu, ihre Innovationsprozesse zu öffnen. In manchen Bereichen können sich Entscheider:innen der Öffnung ihres Innovationsmanagements nur schwer entziehen. Umso wichtiger ist es, die Organisation proaktiv in Richtung Open Innovation zu gestalten. Damit lässt sich z. B. besser steuern, welche Arten von Open Innovation gewollt sind (mehr dazu später).
Das Open-Innovation-Paradigma ist somit der Gegenpol zum traditionellen Modell (Closed Innovation). Egal, wie effektiv ein Unternehmen intern arbeitet, das externe Wissensnetze und die Wissensgemeinschaften sind relevant für die Entwicklung von Innovationen.
Bei dem Open Innovation Modell geht es darum, dass externe Ideen und Technologien von der Organisation aufgenommen werden (Outside-in Open Innovation) und ungenutzte interne Ideen und Technologien nach außen abgegeben werden (Inside-out Open Innovation). Grundvoraussetzung ist ein verteilter Innovationsprozess, mit dem internes und externes Wissen über Organisationsgrenzen hinweg genutzt werden kann. [4]
Was unterscheidet verteilte Innovation von offener Innovation?
Open Innovation ist mehr als Crowdsourcing oder Accelerator Programme.
Um die Innovationen zu kommerzialisieren, werden von Unternehmen Geschäftsmodelle geschaffen und die Innovation weiterverbreitet. Für Entscheider:innen ist es gerade bei strategischen Vorhaben wichtig, den Unterschied zwischen offener und verteilter bzw. freier Innovation zu verstehen. Damit ist gemeint, dass z. B. im Sinne eines Open Source-Ansatzes eine Community an etwas Neuem arbeitet. An dem Open Source Projekt Linux haben anfangs Linus Torvalds und eine kleine Gemeinschaft von Freiwilligen gearbeitet. Hierbei handelt es sich um verteilte Innovation. Heute wird Linux jedoch durch die Beteiligung von Unternehmen wie IBM, Google, Red Hat und Amazon aufrechterhalten. Die Geschäftsmodelle haben sich rund um Linux entwickelt. Die Open Source Software ist somit ein Open Innovation Thema für Unternehmen geworden. Damit einher geht auch, dass rechtliche Regelungen und Geschäftsmodelle vorhanden sein müssen. [4]
Open Innovation als Führungsinstrument bietet Unternehmen viele Vorteile: Sie profitieren von dem höheren Offenheitsgrad, da ein größerer Pool an Wissen und Ideen zur Verfügung steht und der Innovationsprozess beschleunigt werden kann. Damit das gelingt, müssen divergierende Routinen verhindert werden und strategische Ziele dementsprechend gesetzt werden.
Dass Open Innovation die Unternehmensleistung positiv beeinflusst, dazu gibt es eine Reihe von Studien. Positive Effekte können beispielsweise sein:
Wichtig: Was Open Innovation nicht ist: das Outsourcing von Innovationsmanagement. Es ist keine Strategie, um Innovationsinvestitionen zu verringern.
Die große Herausforderung für etablierte Unternehmen besteht oftmals darin, externes Wissen über den Innovationsprozess einzubinden. Den Entscheider:innen muss daher bewusst sein, dass die organisationale Kompetenz geschaffen werden muss, damit Innovationen nicht (mehr) ausschließlich unternehmensintern entstehen. Sie finden in einem interorganisationalen Kontext statt. Dafür braucht es eine Absorptive Capacity. Durch diese Absorptionsfähigkeit einer Organisation wird der Wert neuer Informationen besser erkannt, verarbeitet und genutzt. [9] Kann diese Absorptive Capacity in der Organisation nicht aufgebaut werden, besteht das Risiko, dass Open Innovation scheitert.
Die Herausforderung für Entscheider:innen liegt darin, für die Organisation das optimale Maß an Offenheit im Innovationsmanagement zu finden. In der Forschung ist auch immer wieder von einem sogenannten Tipping-Point die Rede, wenn es um eine funktionierende Open Innovation geht. Lauser und Salter präsentierten im "Stratigic Management Journal 2006" dazu ihre Studienergebnisse, die auf ein „optimales Maß“ für eine Kollaboration hindeuten. Demnach gibt es einen Zusammenhang zwischen der Offenheit von Firmen bei externen Suchstrategien und der Innovationsperformance.
Open Innovation ist nicht gleich Open Innovation. Darunter verbergen sich verschiedene Formen und Möglichkeiten, wie Unternehmen im Innovationsmanagement oder F&E-Bereich mit externen Stakeholder:innen zusammenarbeiten können. Grundsätzlich kann man drei Arten von Open Innovation-Prozessen unterscheiden:
• Inbound Open Innovation bzw. Outside-in Prozess
• Outbound Open Innovation bzw. Inside-out Prozess
• Gekoppelter Prozess
Wird Wissen von externen Stakeholdern ins Unternehmen eingebunden, spricht man von Inbound Open Innovation. In einem sogenannten ("outside-in“) -Prozess wird externes Wissen integriert, z.B. durch Technologie-Scouting, Crowdsourcing, Lead User:innen Konferenzen oder Kooperationen mit Hochschulen oder Start-ups.
Beispiele für Inbound OI: Lego
Ideen- und Start-up-Wettbewerb und Crowdsourcing, wie Lego Ideas.
Bei dem ("inside-out")-Prozess wird geistiges Eigentum (IP) oder technologisches Wissen vom Unternehmen mit Externen geteilt. Es ist die risikoreichere Art von Open Innovation.
Ein solcher Inside-out Prozess kann beispielsweise durch Auslizenzierung, gemeinsame Entwicklungsvereinbarungen, Spin-offs oder Inkubator Programme geschehen. Outbound Open Innovation eignet sich gut, um innerhalb großer Unternehmen neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. [4]
Beispiel Outbound Open Innovation: Tesla
Elon Musk setzte bei Tesla den Schritt, die Patente zur Antriebstechnologie öffentlich zugänglich zu machen. [2] Mit diesem Schachzug wollte er mit der Industrie nicht bloß Wissen teilen, sondern die Lösung von Tesla sollte zum dominanten Design in der Branche werden. Ein riskanter Schachzug, der natürlich auch Fehlschlagen kann, indem der Mitbewerb Entwicklungsschritte setzt, die ein solches Vorhaben verhindern können.
Finden beide Varianten (Inbound- und Outbound-Open Innovation) in einem Unternehmen Anwendung, spricht man von einem gekoppelten Prozess.
Aus einer gekoppelten offenen Innovation ergeben sich Strategien wie z.B. gemeinsame Entwicklung, ergänzende Partner durch Allianzen und Joint Ventures.
Beispiel: Open Innovation Outside-in und Inside-out in Krisenzeiten
Blickt man auf die COVID-Pandemie zurück, finden sich für beide Varianten Beispiele. Die Nutzung gemeinsamer Forschung, z.B. zur Entwicklung von Händedesinfektion, wäre ein Beispiel für einen Outside-in-Prozess. Designs und geistiges Eigentum (z.B. zu Beatmungsgeräten) öffentlich zugänglich zu machen, um anderen Hersteller:innen die Möglichkeit zur Produktion ähnlicher Güter möglich zu machen, ist ein Beispiel für Inside-out-Prozesse. Die Universität Oxford hat beispielsweise im April 2020 eine Partnerschaft mit dem Biopharma-Unternehmen AstraZeneca ins Leben gerufen, um Impfstoffe gegen COVID-19 weiterzuentwickeln und in großem Maßstab herzustellen. [5]
Wenn Sie Open Innovation in Ihrem Unternehmen umsetzen möchten, müssen Sie viele Aspekte berücksichtigen, um sicherzustellen, dass ein offener Innovationsansatz tatsächlich gelebt wird. Mit diesen drei Tipps steigern Sie die Erfolgschancen Ihres Vorhabens:
Wenn Sie diese drei Aspekte bei der Umsetzung von Corporate Open Innovation berücksichtigen, können Sie sicher sein, dass Ihr Unternehmen von innovativen Ideen profitieren wird.
Beispiel Slack-Politik: Google und 3 M
Viele der bahnbrechenden Innovationen von Google und 3 M waren das Ergebnis einer sogenannten Slack-Politik. Dabei wird Projektteams die Freiheit gegeben, 15-20 % ihrer Zeit für die Entwicklung von "Blue Sky"-Ideen zu nutzen. Ziel ist es dabei nicht, dass diese Ideen unmittelbare Anwendung finden. Eine Slack-Politik vergrößert die persönliche Autonomie, verringert das not-invented-here-Syndrom, und ermöglicht es Ideen von außen einzuholen. [3]
Eine Frage, die Entscheider:innen im Zusammenhang mit Open Innovation beschäftigt, ist die Frage nach dem Umgang mit dem geistigen Eigentum (Intellectual Property Rights). In der Vergangenheit haben Unternehmen geistiges Eigentum angesammelt, um ihren Mitarbeiter:innen mehr Freiheit zu geben und teure Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Doch nicht alle Patente erweisen sich als wertvoll und werden oft nie genutzt. Im Zeitalter der Open Innovation sollten Unternehmen deshalb ungenutztes geistiges Eigentum anderen zur Verfügung stellen und gleichzeitig gezielt nach passendem geistigem Eigentum suchen, das neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnet. Durch diese Strategie können Unternehmen nicht nur zusätzliche Einnahmen generieren, sondern auch in neue Geschäftsbereiche expandieren. Eine kluge und zukunftsweisende Entscheidung.
Die klare Definition des Umgangs mit dem geistigen Eigentum ermöglicht Open Innovation erst. Sie sind der Schutzmechanismus gegenüber direkter Nachahmung durch andere Beteiligte. [4]
Es gilt das richtige Maß von Offenheit zu definieren, die zu einer höheren Innovationsleistung führt und zugleich ein angemessenes Maß an Durchlässigkeit sicherstellt. Daher sollte ein Open-Innovation-Konzept Schutzmechanismen beinhalten, um Imitationsversuche und opportunistisches Verhalten zu verhindern. Eine klare Zusammenarbeit mit externen Partner:innen ermöglicht es den Mitarbeitenden, selbstbewusst mit dem Thema Innovation umzugehen und es gegenüber Kund:innen oder Geschäftspartner:innen zu vertreten.
Zugleich muss die Corporate Open Innovation Raum lassen, um bei vertraulicheren Informationen und heiklen Punkten (z.B. hinsichtlich geistigen Eigentums) diskret zu innovieren. Aber auch hierfür gibt es Ansätze, die Open Innovation nicht widersprechen.
Bedenken Sie, dass die strategischen Absichten des Top-Managements mit den Open Innovation Initiativen und Ergebnissen übereinstimmen müssen. Andernfalls kann es zu Zielkonflikten kommen und ihr Team arbeitet gegen den neuen Innovationsansatz.
Das not-invented-here und not-sold-here Syndrom
Werden externe Ideen abgelehnt, spricht man im Innovationsmanagement vom not-invented-here-Syndrom (NIH-Syndrom).
Weniger bekannt als das NIH-Syndrom ist das not-sold-here-Syndrom (NSH-Syndrom). Wird Wissen externen Partner:innen weitergegeben bzw. abgetreten, können die eigenen Mitarbeiter:innen womöglich nicht akzeptieren, dass die Marktchancen bei einem anderen Player liegen. [3]
Wenn diese Syndrome auftreten, seien Sie achtsam. Oft sind sie der Anfang zur Umkehr zur Closed Innovation.
Wenn Motivation und Risikopräferenzen bei Manager:innen in unterschiedliche Richtungen führen, erschwert es die Institutionalisierung von Open Innovation. CEO und CTO werden häufig durch finanzielle Anreize (Belohnungen) in Form von Gewinnzielen motiviert. In Verbindung mit einer OI Innovationstrategie haben Studien dabei negative Effekte nachgewiesen, wie z.B. von Coff [7] in Strategic Manage 2010 präsentiert. Die Maximierung des Shareholder Value schafft für CTO und CEO möglicherweise Anreize, die der Open Innovation-Strategie eines Unternehmens widersprechen.
Entscheider:innen sollte bewusst sein, welche Rolle sie bei der Abschwächung dieser Risiken spielen. Es geht darum divergierende Motive des Managements mit Open Innovation-Initiativen in Einklang zu bringen. Es gilt Bedingungen zu schaffen, unter denen Manager:innen Entscheidungen treffen, die Open Innovation fördern. [8]
Die Art und Weise, wie wir neue Ideen kreieren, ist genauso bedeutend wie die Innovationen selbst. Leider führen viele bestehende Systeme zu enormem Ressourcenverschleiß und Ineffizienz. Solches Potenzial (wieder) nutzbar zu machen, ist ein positiver Effekt, den Open Innovation erzielen kann. Daher ist es essenziell, Innovationsmodelle zu überarbeiten und eine effektivere und kooperativere Methode zu finden, um Fortschritte voranzutreiben. [5]
Wenn Ihr Unternehmen nicht in der Lage ist, Innovationen effektiv zu managen, wird Open Innovation nicht funktionieren. Was hilft, ist ganzheitliches Innovationsmanagement.
Quellen:
[1] Chesbrough H. (2003): Open Innovation: The New Imperative for Creating and Profiting from Technology.
[2] Tesla Pressemeldung (2014): All our patent are belong you.
[3] Shaikh I., Randhawa K. (2021): Managing the risks and motivations of technology managers in open innovation.
[4] Chesbrough H. (2020): Open Innovation Results: Going Beyond the Hype and Getting Down to Business.
[5] Liu Z., Shi Y., Yang B. (2022): Open Innovation in Times of Crisis: An Overview of the Healthcare Sector in Response to the COVID-19 Pandemic.
[6] Chesbrough H. & Brunswicker S. (2013): Managing open innovation in large firms und Chesbrough H. & Brunswicker S. (2015): A Fad or a Phenomenon? The Adoption of Open Innovation in Large Firms.
[7] Coff, R.W. (2010): The coevolution of rent appropriation and capability development.
[8] Arora, A., Belenzon, S., Patacconi, A. (2018). The decline of science in corporate R&D.
[9] Definition von Absorptive capacity in Wikipedia.