Die Zeit der Entwicklung eines Produktes von den ersten Schritten bis zur Markteinführung (= Time-to-Market) gewinnt durch immer kürzere Lebenszyklen und erhöhte Marktkonkurrenz stetig an Bedeutung. Durch Open Innovation lässt sich die Entwicklungszeit verkürzen, indem Aktivitäten im Sinne einer Arbeitsteilung an Innovationspartner:innen abgegeben werden.
Beispielsweise hat Procter & Gamble eine innovative Zahnbürste in Kooperation mit einer japanischen Firma entwickelt. Die Entwicklungszeit konnte auf diese Weise im Vergleich zu einem internen Projekt um die Hälfte reduziert werden. Darüber hinaus können Unternehmen durch derartige Partnerschaften schneller und flexibler auf neue Technologien und Marktanforderungen reagieren.
Ebenso können Aufgaben, die implizites Wissen von Kund:innen benötigen, ausgelagert werden. Der zeitraubende Trial-and-Error Prozess findet dann nicht bei Hersteller:innen, sondern bei Kund:innen statt, die sich schrittweise einer optimalen Lösung nähert, die seinen Bedürfnissen entspricht.
Vor allem „Open Innovation Communities“ basieren auf diesem Prinzip. So startete Tchibo bereits 2008 die Tchibo-Online-Community, die bis zum heutigen Tag äußerst erfolgreich läuft. Kunden können hier innovative Produktideen entwickeln, diskutieren und bewerten. Jene Ideen, die eine sehr hohe Bewertung aufweisen, werden auf ihre Markttauglichkeit hin getestet und nach positiver Prüfung umgesetzt.
Unternehmen sind angesichts globalisierter Märkte und damit verbundenen Preisdumpings bestrebt, die Kosten des Innovationsprozesses von Beginn der Planung bis zur Markteinführung (= Cost-to-Market) zu senken.
Hinzu kommen Kürzungen von Forschungs- und Entwicklungsbudgets, die den Trend zu Open Innovation zusätzlich fördern. Durch die bereits angesprochene Arbeitsteilung lässt sich nicht nur die Entwicklungszeit von Innovationen, sondern auch deren Kostenaufwand reduzieren.
Die Kosteneinsparungen sind vor allem dort spürbar, wo Kund:innen Aufgaben übernehmen, für die beim Hersteller Investitionen in bestimmte Ressourcen erforderlich sind, wie zum Beispiel bei der Entwicklung von Prototypen. Die Produktion von Prototypen kann für Unternehmen sehr teuer sein, da oft mehrere Prototypen entwickelt werden müssen, bis ein kundenakzeptierter Prototyp entstanden ist. Innovative Kund:innen haben in ihren Reihen jedoch häufig findige Köpfe, die bereits an Prototypen arbeiten.
Die Zusammenarbeit von Kund:innen und Hersteller:innen bietet somit beiden Seiten Vorteile: Die Kund:innen erhalten ein innovatives Produkt, das sie für sich nutzen können, und die Hersteller:innen sparen Kosten.
Als weiterer zentraler Vorteil von Open Innovation kann der Faktor New-to-Market genannt werden. Er beschreibt den wahrgenommenen Neuigkeitsgrad einer Innovation. Insbesondere bei Produktinnovationen ist der Innovationsgrad häufig gering, da lediglich inkrementelle Innovationen hervorgebracht werden. Aus dem traditionellen Innovationsprozess heraus werden bestehende Produkte lediglich weiterentwickelt, ohne einen funktionalen Mehrwert zu schaffen. Innovationen hingegen, die unter Einbeziehung von Nutzern und anderen externen Innovationspartnern entstehen, erschließen neue Funktionalitäten und lassen neue Märkte entstehen.
Der Sportartikelbereich bietet hierfür zahlreiche Beispiele. So entstand die Trendsportart Kite-Surfing durch das Bedürfnis von Surfer:innen nach höheren und weiteren Sprüngen. Einige Surfer:innen begannen mit selbstgebauten Kombinationen aus Surfboards und Segeln von Drachenfliegern zu experimentieren und entwickelten daraus ein vollkommen neuartiges Sportgerät. Auch andere Trendsportarten wie Skateboards oder Surfboards entstanden nicht in den klassischen F&E-Abteilungen, sondern lassen sich auf Nutzer:inneninnovationen zurückführen.
Gelingt es daher Hersteller:innen, besonders innovative Nutzer:innen und Innovationspartner:innen in den Open Innovation Prozess einzubinden, kann dies radikale Innovationen und somit den Faktor New-to-Market erheblich steigern.
Voraussetzung für einen hohen Fit-to-Market (Marktakzeptanz eines neuen Produktes) ist ein Produkt- bzw. Leistungsangebot, das die Bedürfnisse der Kund:innen befriedigt. Durch die Integration von innovativen Kund:innen (Lead User) in den Open Innovation Prozess kann die Marktakzeptanz erheblich gesteigert und das Risiko von Fehlentwicklungen reduziert werden.
Durch Open Innovation können zahlreiche externe und interne Ideen- und Wissensquellen erschlossen und genutzt werden, um das eigene Innovationsmanagement auf eine neue Ebene zu bringen. Etwa hundert F&E-Projekte sind erforderlich, um zwölf erfolgreiche Innovationen auf dem Markt zu platzieren. Die Anzahl der Ideen, die man braucht, um überhaupt 100 Projekte starten zu können, ist ungleich höher. Innovation benötigt daher viele Ideen:
The best way to have a good idea is to have lots of ideas.
Neben der Einbindung von externen Innovationspartner:innen und eigenen Mitarbeiter:innen in den Innovationsprozess gewinnen internetbasierte Open Innovation Communities immer mehr an Bedeutung. Die Kreativität der Internetgemeinde wird genutzt, um Ideen für innovative Produkte, neue Vertriebswege, neue Geschäftsfelder und Geschäftsmodelle zu finden. Die Art der Zusammenarbeit reicht von der Einreichung von Ideen, über die Bewertung der Ideen durch die Community auf der Plattform bis zur Weiterentwicklung der Ideen durch die Community.
So hat etwa der italienische Automobilhersteller Fiat vor der Markteinführung des Fiat 500 die kreativen Ideen der Community für die Entwicklung genutzt. Wie groß das Interesse für solche Beteiligungsprozesse ist, zeigen 170.000 eingereichte Vorschläge.
Weitere Beispiele für Crowdsourcing-Plattformen sind: ÖBB Open Innovation Plattform, Unilever, InnoCentive, atizo, Quirky, Open Innovation Plattform der Bundesregierung.
Einer der größten Vorteile von Open Innovation ist die übergreifende Vernetzung von Wissen und Know-how aus verschiedenen Branchen und Bereichen, die neue Perspektiven eröffnet. Lösungen, die in anderen Bereichen bereits erfolgreich genutzt werden, können auf eigene Innovationsvorhaben übertragen werden. Dadurch lassen sich Ideen und Lösungen entwickeln, an die vorher niemand gedacht hätte.
Open Innovation ist die Antwort auf veränderte Marktbedingungen und Kundenbedürfnisse. Im Zeitalter der Digitalisierung werden nur jene Unternehmen in den ersten Reihen zu finden sein, die auf breites Wissen aktiv zugreifen und damit bessere, schnellere und kostengünstigere Lösungen bereitstellen als andere.