Diese 3 Innovationskennzahlen sollten Sie beachten
„Nur was man messen kann, kann man auch verbessern.“ Doch obwohl sich Ihre Investitionen in Neuentwicklungen natürlich rechnen müssen, lässt sich deren Erfolg nicht so einfach in Zahlen fassen.
Messgrößen, die Ihre Innovationstätigkeit in Zahlen fassen, gibt es viele. Der deutsche Innovationsberater Klaus Reichert listet in seinem Nachschlagwerk die 100 wichtigsten dieser Kennzahlen auf. Diese große Menge an Formeln lässt den Schluss zu, dass sich der Input, der Output und die Ziele des Innovationsmanagements schon recht gut in Zahlen darstellen lassen. Doch dieser Schein trügt, und zwar aus zwei Gründen:
- Wenn Sie zu vielen Messgrößen Beachtung schenken, dann verlieren Sie die Übersicht. Der wahre Wert Ihrer Innovationstätigkeiten bleibt Ihnen dann weiter verborgen.
- Sie müssen die Variablen, die bei diesen Formeln angewendet werden, für Ihren Betrieb individuell und exakt definieren. Ansonsten erhalten Sie Ergebnisse, die alles und gleichzeitig nichts aussagen.
Diese drei Innovationskennzahlen haben sich bewährt
Die erste Herausforderung am Weg zum Kennzahlenziel lässt sich relativ leicht lösen. Suchen Sie sich einige wenige Kennzahlen aus dem großen Strauß an Möglichkeiten heraus. Diese sollten zu Ihrem Betrieb und Ihrem Innovationsmanagement passen. Die Kombination der folgenden drei Kenngrößen hat sich bereits für viele Betriebe in der Praxis bewährt, also stellen wir sie näher vor:
Innovationsrate = Umsatzanteil der Innovationen/Gesamtumsatz * 100
Diese Kennzahl stellt Ihre Innovationstätigkeit in Beziehung zu Ihren Umsatz dar. Und sie zeigt auch, ob Ihre Neuentwicklungen am Markt Erfolg haben oder nicht, denn sie misst den Umsatz, den Sie mit den Innovationen schon erzielt haben. Wie viele Neuentwicklungen Sie erfolgreich am Markt platzieren, können Sie damit nicht messen.
Innovationsquote = Anzahl Innovationen / Anzahl aller Produkte * 100
Diese Größe zeigt, wie wichtig Ihrem Betrieb Innovationen sind, denn Sie setzt deren Anzahl mit Ihrem gesamten Sortiment in Beziehung. Über den Erfolg Ihrer Neuentwicklungen sagt sie indes nichts aus. Gemeinsam mit der Innovationsrate bekommen Sie aber schon ein recht gutes Bild über Ihre eigene Innovationstätigkeit und dessen Erfolg. Allerdings beantworten beide Kennzahlen nicht die Frage, was Sie unter einer Innovation verstehen.
Innovationsgrad = Neuigkeitsgrad der Zweck-Mittel-Kombination
Quelle: Hauschildt 2004, S. 6
Mit dieser Formel, die der renommierte deutsche Wirtschaftswissenschafter Jürgen Hauschildt entwickelt hat, können Sie nun präzisieren, wie neu Ihre Entwicklung ist. Laut Hauschildt muss die Neuartigkeit einer Innovation zunächst wahrnehmbar sein. Zweck und Mittel müssen in einer bisher nicht gekannten Form miteinander kombiniert sein. Der Zweck könnte dabei für den Antrieb eines Autos stehen, die Mittel für den verwendeten Treibstoff. Wenn sich beides merklich von Bekanntem unterscheidet, dann handelt es sich um eine Durchbruchsinnovation. Wenn der Unterschied zu Existierendem eher nur für den Innovator selbst erkennbar ist, dann spricht man im besten Fall von einer inkrementellen Innovation. Oder es ist gar nur eine Produktverbesserung - denken Sie etwa an das Facelift eines PKW-Modells.
Innovationsportfolio
Dabei handelt es sich nicht um eine Kennzahl im engeren Sinn, sondern um eine genaue Analyse Ihres Sortiments. Wie alt sind Ihre Produkte? Wie viel trägt jedes einzelne zum Gesamtergebnis bei? Diese Analyse kann bereits genau zeigen, welche und wie viele Produkte Sie neu entwickeln müssen, um Ihre Marktposition zu verteidigen oder auszubauen.
Definieren Sie Ihre Variablen ganz genau
Das praktische Anwenden dieser Kennzahlen ist aber gar nicht so einfach: Denn wie bereits erwähnt, bedürfen die Variablen einer exakten und schlüssigen Definition, damit die Formeln auch aussagekräftige Zahlen für Ihr Unternehmen liefern. Bevor Sie also mit Zahlen zu arbeiten beginnen, sollten Sie auf diese Fragen Antworten haben:
Was genau ist eine Innovation?
Die Ermittlung des Innovationsgrades nach dem oben beschriebenen Modell von Professor Hauschildt kann Ihnen dabei helfen, zu definieren, was eine Innovation ist und was nicht. Allerdings gibt es in der Wissenschaft noch viele weitere, teils hochkomplexe Ansätze dafür. Eine für Ihr Unternehmen passende Definition von Innovation können nur Sie treffen. Entscheidend dabei sind die Fragen: Was betrachten Ihre Kund:innen, Ihre Konkurrent:innen und letztendlich Ihr Betrieb selbst als Innovation?
Ab wann ist eine Neuentwicklung eine Innovation?
Eine Innovation ist Invention plus Markterfolg. Sie müssen mit Ihrer Neuentwicklung einen Markterfolg, also bereits erzielt haben. Alles andere sind Erfindungen, die sich letztlich auch als Flop erweisen können. Wenn Sie bereits jede Neuentwicklung berücksichtigen, die Sie auf den Markt bringen, dann kann das die Messergebnisse Ihrer Investitionstätigkeit schönen. So würde Ihr Betrieb etwa eine ungewöhnlich hohe Innovationsquote aufweisen, denn diese Kennzahl setzt die Anzahl der Innovationen in ein Verhältnis zu der Anzahl all ihrer Produkte. Sie können selbst dann eine sehr hohe Innovationsquote erzielen, wenn sich all ihre Inventionen als Flop erweisen. Ihre Inventionen sollten Sie also erst dann als Innovationen bezeichnen, wenn Sie zumindest den Aufwand für Ihre Entwicklung und Ihren Launch wieder erwirtschaftet haben.
Wie lange gilt eine Neuentwicklung als Innovation?
Nicht nur die Frage, ab wann eine Neuentwicklung als Innovation gilt, ist für die Berechnung von Innovationskennzahlen wichtig. Auch die Antwort auf die Frage, bis wann eine Neuentwicklung als Innovation gilt, ist für Kennzahlen entscheidend. Ist ein Produkt so lange eine Innovation, bis es von einem besseren abgelöst wird? Gilt eine Neuentwicklung in Ihren Augen so lange als Innovation, bis das Patent dafür abgelaufen ist? Setzen Sie Ihre Definition für Innovation in Beziehung mit dem Produktzyklus und lassen Sie ein neues Produkt bis zum Ende der Reifephase als Innovation gelten? Wie lange gilt üblicherweise in Ihre Branche ein Produkt als neu?
Wie berechnen Sie den Umsatz, den Ihre Innovationen erwirtschaften?
Wenn Sie die Definition von Innovation für sich selbst fixiert haben, dann sollten Sie sich über eine weitere wichtige Variabel Gedanken machen. Denn der Umsatz, den Neuentwicklungen erwirtschaften, ist trotz einer wasserdichten Definition von Innovation auch eine dehnbare Größe. Der Erlös, den Innovationen direkt zum Unternehmensergebnis beitragen, ist leicht messbar. Doch wie hätte sich der Erlös Ihres bestehendes Portfolios entwickelt, wenn Ihre Firma die Innovationen nicht auf den Markt gebracht hätte?
Um diese Problematik mit einem Beispiel zu veranschaulichen: Ein Autohersteller launcht ein Nachfolgemodell für sein erfolgreichstes Modell. Dieses Nachfolgemodell lässt seinen Vorgänger in den Augen der Käufer zwar alt aussehen, kann aber dessen Absatzzahlen nicht erreichen. Der Hersteller hat zwar eine Innovation gelauncht, weil das neue Modell zumindest die Kosten der Entwicklung und des Launches hereingespielt hat. Dennoch hat die Innovation nicht positiv zum Unternehmensergebnis beigetragen, weil sie den Umsatz des Vorgängermodells abgewürgt hat.
Vertiefen Sie Ihr Kennzahlensystem nach und nach
Um im Unternehmen ein System für Innovationskennzahlen aufzubauen, empfiehlt es sich mit den oben genannten drei grundlegenden Kennzahlen zu starten. Wenn Sie diese gut definiert und implementiert haben, können Sie nach und nach Ihr Kennzahlensystem erweitern. Folgende Kennzahlen eignen sich dafür:
- Time to Market: Wie lange benötigen Ihre Innovationen im Innovationsprozess von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt am Markt?
- Innovationszeit pro Mitarbeiter:innen: Wie viele Ressourcen dürfen Ihre Mitarbeiter:innen mit Innovationstätigkeiten aufbringen? Welches Potential entsteht daraus für Innovationen?
- Ideenquote: Was ist die Anzahl der eingereichten Ideen je Mitarbeiter:in?
- Kill Rate Wie viele Innovationsprojekte werden abgebrochen? Wie viele Ideen schaffen es nicht auf den Markt?
- Innovationsklima: Wie ist die Einstellung Ihrer Mitarbeiter:innen hinsichtlich Innovation? Welche Verbesserungspotentiale entdecken Ihre Mitarbeiter:innen in Bezug auf die Innovationsfähigkeit Ihres Unternehmens?
Die Kennzahlen-Liste im Innovationsmanagement ist lang und nicht alle Kennzahlen eignen sich für Ihr Unternehmen. Wählen Sie zu Beginn wenige Kennzahlen aus, die Sie gut definieren und messen können und erweitern Sie dann erst nach Bedarf.
Fazit: Diese drei Innovationskennzahlen sollten Sie beachten
Zahlen sind als Grundlage für Entscheidungen im strategischen Innovationsmanagement beliebt und hilfreich. Allerdings müssen Sie immer auch hinterfragen, wie diese Zahlen zustande gekommen sind und was sie letztendlich messen oder eben nicht messen. Um mithilfe von Kennzahlen Ihr Innovationsmanagement zu steuern und Ihre Innovationskraft zu messen, müssen Sie für sich und Ihren Betrieb zuvor viele Fragen beantworten. Beachten Sie auch, dass Innovationskennzahlen verschiedener Unternehmen nicht miteinander vergleichbar sind. Weil jeder Betrieb „Innovation“ anders definiert. Lediglich die Anzahl der angemeldeten Patente ist eine objektive Messgröße. Diese sagt allerdings rein gar nichts darüber aus, ob die Innovationen eines Unternehmens auch am Markt ankommen oder nicht.
Arbeiten Sie also mit Kennzahlen, aber verlassen Sie sich nicht völlig auf sie. So meinte etwa Mark Twain: „Ein Mensch mit einer neuen Idee ist solange ein Spinner, bis sich die Idee als erfolgreich erweist.“ Manchmal dauert es eben ein bisschen länger, wie etwa James Dyson bewies: Er benötigte 5.127 Prototypen, um letztendlich den beutellosen Staubsauger zu entwickeln, für den das Unternehmen heute weltbekannt ist.