Der Grad der Innovation bezieht sich auf den Grad oder das Ausmaß der Neuheit und der Veränderung, die eine Innovation mit sich bringt. Sie wird entweder als radikal (disruptiv, transformativ) oder inkrementell (evolutionär, graduell) kategorisiert, basierend auf dem Ausmaß der Auswirkungen, den erforderlichen Ressourcen und dem damit verbundenen Risiko.
Wesentlich wichtiger als eine klare Definition aus dem Lehrbuch oder die Bewertung der Neuartigkeit nach Einführung der Innovation, ist die Bestimmung des Innovationsgrads im Vorfeld eines Innovationsvorhabens, um die Zielsetzung des Innovationsmanagements festzulegen:
Zum einen können nur dann sinnvolle smarte Ziele festgelegt werden, wenn das Unternehmen eine klare Unterscheidung von Innovationsarten und Innovationsgraden vornimmt. Zum anderen sollte bereits in der frühen Phase des Innovationsmanagements, also im Ideen-Stadium, zwischen Innovationsarten und Innovationsgraden unterschieden werden, um Ideen passend weiterverfolgen zu können. So gehören etwa Produktinnovationen zum klassischen Produktmanagement, die in die laufenden F & E Tätigkeiten integriert sind. Für Ideen mit höherem Innovationsgrad oder innovative Geschäftsmodelle ist es oft nötig, eigene losgelöste Teams zu bilden und das Innovationsvorhaben vom Tagesgeschäft zu trennen.
Innovationsgrade zu definieren ist für ein Unternehmen somit kein Selbstzweck, sondern dient einem effektiven Innovationsmanagement. Der Innovationsgrad ist als ein Schlüsselfaktor zu sehen, der hohe Relevanz sowohl hinsichtlich der Bestimmung von Erfolgsfaktoren in der Entwicklung innovativer Produkte wie auch für eine adäquate Innovationsstrategie in der betrieblichen Praxis besitzt.
Definition Innovationsgrad
Der Innovationsgrad definiert wie „neu“ eine Innovation ist. Der graduelle Unterschied gegenüber dem bisherigen Zustand soll mess- und bewertbar gemacht werden. Die Bewertung von Innovationen in Bezug auf die Neuartigkeit kann sowohl nach Einführung der Novität als auch im Vorfeld eines Innovationsvorhabens durchgeführt werden: Wurde ein neues Produkt, eine Dienstleistung oder ein neuer Prozess eingeführt, kann im Nachhinein bewertet werden, welchen Innovationsgrad die Neuheit hat. Gleichzeitig kennzeichnet der Innovationsgrad auch die Komplexität eines Innovationsvorhabens.
Wie neu eine Innovation ist, ist oft auch eine subjektive Betrachtung. Eine Neuerung kann demnach neu
Eine weitere häufig verwendete Klassifikation für Innovation nach der Neuheit ist nach dem Veränderungsumfang:
Demnach sind radikale Innovationen Basisinnovationen und Revolutionen, inkrementelle Innovationen Verbesserungs-, Anpassungs- oder Folgeinnovationen und damit Evolutionen.
Inkrementelle Innovationen weisen einen geringen Innovationsgrad auf. Es handelt sich um kleine Veränderungen an bestehenden Produkten, Prozessen oder Geschäftsmodellen, mit denen das Unternehmen auf einem bekannten oder ähnlichen Markt auftritt. Sie implizieren weder neues Wissen noch eine neue Technologie. Bekannte Technologien, Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle oder Prozesse werden weiterentwickelt, bleiben aber im Kern erhalten:
Radikale Innovationen hingegen stellen etwas grundsätzlich Neues dar, die erhebliche Veränderungen im Produkt, Prozess oder Geschäftsmodell verursachen. Sie verfügen über einen sehr hohen Innovationsgrad.
Ein Beispiel für radikale Innovationen infolge größerer technologischer Änderungen sind mobile Musikgeräte: Das mobile CD-Gerät war eine radikale Innovation gegenüber seinem Vorgänger, dem (Kassetten-)Walkman, und der MP3-Spieler war es ebenso gegenüber dem CD-Gerät.
Quelle: Rykroft und Kash (1999, 54)
Ob eine Innovation radikal oder inkrementell ist, liegt oft sehr stark im Auge des Betrachters bzw. der Betrachterin. Daher ist oft eine klare, objektive Differenzierung herausfordernd.
Wichtig ist für Unternehmen und ihr Innovationsmanagement, dass sie für sich Kriterien festlegen, nach denen Innovationen in inkrementelle und radikale Neuerungen eingeteilt werden. Beispiele für Kriterien sind Return on Investment, Höhe der Investitionskosten, Amortisationsdauer, Patentierbarkeit, etc. Somit wären Innovationsideen mit einem hohen ROI, hohen Investitionskosten, einer längeren Amortisation und die patentierbar sind, radikal.
Der deutsche Wirtschaftswissenschafter Jürgen Hauschildt definiert Innovation als eine neuartige Kombination aus Zweck und Mittel. Auf der einen Seite stehen die Mittel (Lösungsprinzip, Technologie) als Angebot neuer Problemlösungen durch innovative Ideen. Auf der anderen Seite kann auch ein neuer Zweck (Bedürfnis, Kundennutzen, Anwendung) verfolgt werden.
Hauschildts Modell stellt eine Erweiterung des oben genannten Ansatzes dar. Er unterscheidet vier Innovationsgrade:
Insbesondere die Einschätzung des Innovationsgrades von Durchbruchsinnovationen erfordert möglichst viele Anhaltspunkte, um das Ausmaß der technologischen und anwendungsbezogenen Veränderungen zu bestimmen. Mit steigendem Innovationsgrad steigt der Zeitaufwand und Ressourcenverbrauch, gleichzeitig wächst das Risiko des Scheiterns überproportional. Kostenhöhe und Kostenstruktur sprengen zudem oft vertraute Vorstellungen des Controllings und erfordern höhere Finanzierungspotentiale.
Eine detaillierte mehrdimensionale Analyse, die den Innovationsgrad in einer Kennzahl ausdrückt, stellt daher eine wichtige Entscheidungsbasis für ein Innovationsvorhaben dar. In der Praxis kommen häufig Scoring-Modelle zur Anwendung, die durch unterschiedliche Gewichtungen bei den einzelnen Anhaltspunkten den Innovationsgrad ermitteln. Nachfolgend finden Sie ein Beispiel zur Bestimmung des Innovationsgrades mithilfe einer Checkliste im Scoring-Verfahren.
Quelle: Fallstudien zum Innovationsmanagement; Jan Hendrik Fisch, Jan-Michael Roß
Je höher der Innovationsgrad, desto größer werden die Unsicherheiten für das innovierende Unternehmen in den Bereichen Technologie, Markt, Umwelt, Ressourcen und Organisation. Die Bestimmung des Innovationsgrades zu Beginn eines Innovationsprojektes stellt sicher, dass systematisch die Konsequenzen des Innovationsvorhabens untersucht werden. Erst die Abschätzung des erwarteten Innovationsgrades ermöglicht dem Management die Bestimmung der geeigneten Methodik und Vorgehensweise im Innovationsprozess.