Innovative Geschäftsmodelle sind von größter Bedeutung, um sich gegenüber der Konkurrenz zu behaupten. Die folgenden drei Unternehmen haben herausragende Geschäftsmodellinnovationen entwickelt, um ihre Position im Markt zu stärken und den Bedürfnissen von Kund:innen gerecht zu werden. Mithilfe von Methoden wie dem Business Canvas haben sie neue Produkte und Dienstleistungen kreiert, die den Markt revolutioniert haben.
Eines der wohl bekanntesten Beispiele für eine erfolgreiche Geschäftsmodellinnovation ist das „Power-by-the-hour“-Geschäftsmodell des britischen Flugzeugturbinenhersteller Rolls-Royce. Vor Einführung der Innovation war der Bau von Triebwerken für Rolls Royce ausschließlich ein Produktgeschäft: Für einen vergleichsweise hohen Einmalbetrag ging das Triebwerk in das Eigentum der Flugzeughersteller über.
Im neuen Geschäftsmodell werden keine Triebwerke, sondern Schubstunden an die Airlines verkauft: Die Airlines bezahlen nur noch die Betriebsstunden der Triebwerke und sind nicht mehr dazu verpflichtet, die Turbinentriebwerke zu kaufen. Das Triebwerk bleibt im Besitz von Rolls-Royce, für Wartung und Instandhaltung der Triebwerke ist das Unternehmen ebenfalls verantwortlich.
Das Rolls Royce Geschäftsmodell beruht auf einem Performance-based Contracting Ansatz, d.h. auf einer ergebnisabhängigen Vergütung. Nicht der Wert der Triebwerke an sich wird kalkuliert, sondern die mit dem Triebwerk erzielbaren Flugleistungsstunden. Kostenfaktoren wie Betrieb, Wartung und Reparatur sind im Preis bereits enthalten. Mit dieser Innovation hat Rolls Royce nicht nur Vorteile für sich und seine Kunden geschaffen, sondern auch preisgünstige Fluglinien wie Southwest Airlines möglich gemacht.
Betrachtet man die Geschäftsmodellinnovation unter dem Blickwinkel des Business Model Navigator ergeben sich Veränderungen in drei Dimensionen:
Auf demselben Prinzip beruht auch das XEROX Geschäftsmodell „Pay per Copy“. Der Kunde bezahlt dabei nicht das Kopiergerät, sondern pro angefertigter Kopie. Auch im Anlagenbau sind ähnliche Geschäftsmodelle heute immer öfter zu finden, z. B. bei Gebäudeaufzügen (Bezahlung nach transportieren Personen) oder bei Lackieranlagen (Bezahlung pro lackiertem Fahrzeug).
Der US-Chemiekonzern Dow Corning ist Anbieter von Silikonprodukten für die unterschiedlichsten Branchen. Das Geschäftsmodell war auf den Verkauf von Produkten mit umfangreichen Beratungsleistungen und hohen Margen ausgerichtet. Aufgrund der Kommodifizierung der Märkte stagnierten allerdings die Verkäufe einiger Produkte.
Dow Corning realisierte, dass ein weiteres Wachstum nur durch eine Anpassung des Geschäftsmodells möglich sein würde und begann die Ursache der schleppenden Verkäufe zu untersuchen. Dabei kristallisierte sich heraus, dass bestimmte Kundengruppen den Support nicht länger benötigen, sondern auf der Suche nach hohen Stückzahlen zu günstigen Preisen sind.
Auf Basis dieser Erkenntnis entwickelte Dow Corning parallel zum bestehenden wertbasierten Geschäftsmodell ein kostenbasiertes „No Frills“ Geschäftsmodell. Dabei geht es darum, Produkte günstig für den Massenmarkt anzubieten, auch wenn die Qualität darunter leidet (z.B. keine Beratungsleistungen).
Die Umsetzung erfolgte durch die Gründung der neuen eigenständigen Marke Xiameter, die sich auf den Verkauf von standardisierten Angeboten zu Bestpreisen über das Internet spezialisierte. Obwohl das Business Model genau das Gegenteil dessen war, was den ursprünglichen Erfolg von Dow Corning ausmachte, ging die Strategie vollends auf. Die Veränderung der einzelnen Dimensionen ergeben folgendes Bild:
Der beiden Business Modelle kannibalisierten sich auch nicht, ganz im Gegenteil: Xiameter’s niedrige Preise ermöglichten den Abbau von Kapazitätsüberschüssen in der Produktion und brachten eine Verbesserung für Dow Corning insgesamt. Die neuen Kunden brachten zudem die Industriekapazitäten an ihre Grenze, was die Preise anstiegen ließ und eine Verbesserung der Profitabilität des Kerngeschäfts mit sich brachte.
Die ALD Vacuum Technologies GmbH ist der weltweit führende Anbieter von Anlagen und Dienstleistungen auf dem Gebiet der Vakuumprozesstechnik. Neben dem klassischen Anlagenverkauf wurde vor einigen Jahren das Geschäftsmodell „Own & Operate“ initiiert, um veränderte Kund:innenbedürfnisse im Bereich modularer Verfahrens-, Bau- und Prozesstechniken zu bedienen.
Mit diesem Betreibermodell geht ALD als Dienstleister direkt auf die Bedürfnisse jener Kund:innen ein, die eine Wärmebehandlung in der Weiterverarbeitung ihrer Bauteile benötigen, aber selbst nicht über das Know-how und die Technik für adäquate Verfahren verfügen. ALD unterstützt durch dieses Geschäftsmodell Kund:innen nicht nur bei der Produktentwicklung, sondern übernimmt auch einen Teil der Wertschöpfung.
Auf diese Weise bündelt das Unternehmen das eigene Know-how bei den Kund:innen und kann auch sensible Anlagen optimal betreiben. Damit werden im Vergleich zum Mitbewerb höhere Anlagennutzungsgrade erreicht und das Unternehmen kann eine bessere Qualität bei niedrigeren Gesamtkosten anbieten. Die vier Dimensionen des Business Model Navigator stellen sich somit wie folgt dar:
Mit dem hinzugekommenen Geschäftsmodell Own & Operate hat sich ALD vom Anlagenhersteller zum produzierenden Dienstleister gewandelt. Das Unternehmen reagierte damit erfolgreich auf das geringe Differenzierungspotenzial im Maschinen- und Anlagenbau und positionierte sich durch ein umfassendes Dienstleistungsangebot neu im Markt.
Um im Wettbewerbsumfeld des 21. Jahrhunderts erfolgreich zu bestehen, reicht es vielfach nicht mehr aus, lediglich neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Zunehmend müssen Unternehmen auch ihr gesamtes Geschäftsmodell modifizieren beziehungsweise komplett neu designen. Geschäftsmodellinnovationen verschaffen Wettbewerbsvorteile, indem sie im Vergleich zu Produkt- oder Prozessinnovationen eine umfangreichere Abgrenzung und größere Einflüsse auf Umsätze und Kosten eines Unternehmens ermöglichen. Ein systematischer Ansatz unter Verwendung bewährter Methoden und Instrumente gewährleistet die Generierung nachhaltiger Geschäftsmodelle – sei es durch Einbeziehung von Lead User:innen, Übertragung von Know-how aus analogen Branchen, Imitation von Geschäftsmodell-Patterns oder Customer Experience Design.