Was ist der Unterschied von agilen und traditionellen Arbeitsweisen?
Weil Unternehmen immer schneller und flexibler agieren müssen, hinterfragen immer mehr Betriebe die traditionellen Methoden zur Projektabwicklung. Agiles Arbeiten verspricht, Betriebe dynamischer machen. Lesen Sie in diesem Blogbeitrag, wie sich agiles Arbeiten vom traditionellen unterscheidet und welche Projekte dafür geeignet sind.
In der Software- und IT-Branche sind die Produktzyklen kurz und die Anforderungen an eine Lösung können sich sehr schnell ändern. Traditionelle Methoden wie etwa das Wasserfallmodell eignen sich deshalb immer weniger, um Anwendungen zu entwickeln. Denn dabei lassen sich die einzelnen Phasen eines Projekts nur schwer voneinander trennen: So können etwa erst nachgelagerte Tests Schwächen in der grundsätzlichen Architektur offenbaren. Oder die Anforderungen ändern sich, weil etwa ein Konkurrent bereits eine bessere Lösung auf den Markt gebracht hat.
Um flexibler agieren zu können, setzen Softwareentwickler bereits seit einiger Zeit agile Arbeitsmethoden wie Scrum oder Kanban ein. Mittlerweile wenden auch viele andere Branchen diese und ähnliche Arbeitsweisen an. Denn: Schnelligkeit und Flexibilität avancieren in der gesamten Wirtschaft zu wichtigen Wettbewerbsfaktoren und sind gerade im Innovationsmanagement gefragt.
Agiles Arbeiten basiert auf Kreisläufen
Agiles Arbeiten unterscheidet sich fundamental von traditionellen Methoden. Denn der Prozess ist nicht so wie etwa im Wasserfallmodell linear, sondern folgt einem Kreislauf: Aus Befürdnissen der Kund:innen leitet ein Team Konzepte ab und entwickelt Prototypen. Diese durchlaufen Test, die zeigen, ob das Bedürfnis des Nutzers befriedigt wird. Die Erkenntnis daraus ist die Basis für eine neue Schleife, in der Prototypen verfeinert werden, bis sie den definierten Erfordernissen entsprechen.
Anhand dieser 4 Aspekte wird der Unterschied zwischen agil und traditionell deutlich
Durch den von Kreisläufen dominierte Ablauf unterscheiden sich traditionelle Arbeitsweisen von agilen vor allem durch diese vier Aspekte:
1) Projektmanagement
Wird ein Projekt linear abgearbeitet, dann trägt ein Projektleiter die Verantwortung für dessen Erfolg. Meist weiß oft nur diese Person über die gesamten Anforderungen und den Zeitplan Bescheid und vergibt möglichst genau definierte Arbeitspakte an die Teammitglieder. Die Projektleiterin bzw. der Projektleiter überwacht die Realisierung und schafft aber auch das Umfeld dafür, dass die Teammitglieder das Erforderte auch abliefern können.
Bei agilen Methoden wie Scrum wird diese Rolle geteilt: Der bzw die Product Owner:in ist dafür verantwortlich, dass die im Product Backlog definierten Anforderungen, die das Projektziel spezifizieren, auch erfüllt werden. Der Scrum Master hingegen arbeitet inhaltlich am Projekt nicht mit. Er kümmert sich darum, dass das Projekt zum Erfolg wird, indem er die Rahmenbedingungen und den Prozess dafür schafft. Der bzw. die Scrum Master:in überwacht das Einhalten der Scrum-Regeln und unterstützt das Projektteam als Moderator:in und Coach.
2) Verantwortung
Bei der traditionellen Arbeitsweise muss lediglich der bzw. die Projektmanager:in die Ziele kennen. Er bzw. sie hat die Verantwortung für das Gelingen und muss deshalb auch selbst entscheiden können, wie das Ziel erreicht werden soll.
Bei agilen Methoden ist es notwendig, dass alle Beteiligten über das gesamte Projekt genauestens Bescheid wissen. Scrum und Co verlagern dadurch die Verantwortung vom Management weg hin zum gesamten Team. Denn wenn alle die Ziele und Visionen kennen, oder sogar selbst mitbestimmt haben, sind auch alle für deren Realisierung verantwortlich. Die Teammitglieder erhalten keine fix definierten Arbeitspakete, sondern können selbst entscheiden, wie sie das gesetzte Ziel erreichen wollen. Jeder einzelne genießt also mehr Eigenverantwortung und sind als selbstorganisiertes Team eingesetzt.
3) Kommunikation
Wird ein Projekt in abgegrenzten Phasen realisiert, dann beschränkt sich die Kommunikation mehr oder weniger auf die klaren Anweisungen der Projektleiterin bzw. des Projektleiters. Diese:r kann genau definierte Arbeitspakete an die Teammitglieder vergeben.
Agile Ansätze erfordern hingegen viel mehr Kommunikation. Denn der Erfolg eines Projektes hängt davon ab, ob jeder Beteiligte bezüglich der Ziele, den aktuellen Status Quo, den Fortschritt, die Hürden und etwaige Änderungen über den gleichen Informationsstand verfügt. Bei Scrum beispielsweise ist dieser Kommunikationsfluss durch verschiedene fixe Meetings gegeben: Beim Daily Scrum stimmt sich das Team kurz aber regelmäßig darüber ab, was jeder einzelne seit der letzten Zusammenkunft geleistet hat, was er bis zum nächsten Treffen realisieren wird und welche Hürden ihn dabei hindern könnten. Diese Meetings müssen nicht unbedingt täglich stattfinden. Vielmehr geben das Projekt und die Rahmenbedingungen den sinnvollen Rhythmus der Treffen vor. Daneben sieht Scrum auch weitere Meetings vor. Etwa am Beginn und am Ende jedes Sprints.
4) Struktur
Die traditionelle Arbeitsweise erfordert eine klare hierarchische Struktur einer Organisation. Darin hat jede:r Einzelne eine klar definierte Rolle, die er bestmöglich erfüllt.
Agile Arbeitsmethoden scheinen auf den ersten Blick keiner Struktur zu unterliegen. Dieser Eindruck täuscht aber. Die Struktur bei Scrum und Co bezieht sich weniger auf Personen und Funktionen, sondern mehr auf Spielregeln und die Kommunikation. Beides muss ein Unternehmen auf seine eigenen Bedürfnisse abstimmen und adaptieren. Der Fachausdruck dafür lautet "Scrumbut". Darunter sind Abweichungen von Standards wie dem Scrum-Guide zu verstehen.
Agile Methoden eignen sich nicht für alle Projekte
In der Theorie scheint die agile Arbeitsweise der traditionellen generell überlegen zu sein: Durch sie können Unternehmen dynamischer und flexibler agieren und die Zeiten als behäbige und unbewegliche Top-Down-Organisationen hinter sich lassen. Und: Da die Mitarbeiter:innen mehr Mitverantwortung tragen, sind sie zufriedener und fühlen sich enger mit dem Unternehmen verbunden. Daneben bietet agiles Arbeiten noch viele weitere Vorteile, wie eine verbesserte Kommunikation zwischen den Teammitgliedern und mehr Transparenz zum jeweiligen Projektstatus. Doch manchmal eignet sich das traditionelle Prozedere besser, um Projekte abzuwickeln. In der Praxis zeigen Scrum und Co folgende Stärken und Schwächen:
- Einfache Projekte lassen sich mithilfe der traditionellen Arbeitsmethode schneller und mit weniger Aufwand abwickeln. Denn der Kommunikations- und Abstimmungsaufwand ist bei agilen Methoden höher, als wenn ein Projekt nach vorher definierten und nicht hinterfragten "geordneten Bahnen verläuft".
- Bei Zeitdruck ist der agile Ansatz die bessere Wahl. Auch wenn wie eben erwähnt, der Aufwand für Kommunikation und Abstimmung höher ist, als etwa im Wasserfallmodell: Scrum und Co animieren Teams dazu, möglichst schnell etwas Fertiges, Herzeigbares (Minimum Viable Products) oder greifbare Fortschritte abzuliefern, die auch schnell durch Feedback verbessert und geändert werden können. Und: Agile Arbeitsmethoden ermöglichen es auch, Teile des Projektes parallel abzuwickeln und damit Zeit zu sparen.
- Dauert ein Projekt lange und ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich die Anforderungen an das fertige Produkt ändern, führen Scrum und Co zu den besseren Ergebnissen. Denn agile Arbeitsmethoden erlauben es, neue oder andere Produkteigenschaften zu realisieren, ohne den gesamten Prozess neu zu starten.
- Es ist kein Zufall, dass sich die agilen Arbeitsmethoden besonders in der Softwarebranche einer hohen Beliebtheit erfreuen. Denn der Aufwand, Prototypen zu verändern, ist verhältnismäßig gering. Wenn es um Hardware geht, dann verschlingen Entwürfe ungleich mehr Ressourcen. Ein Ausweg aus dem Dilemma sind virtuelle Prototypen bzw. Digital Prototyping. Dabei dienen Computermodelle als Entwürfe, deren Eigenschaften und Funktionen sich virtuell testen lassen. Es hängt also auch vom Produkt selbst ab, ob sich agile Methoden überhaupt anwenden lassen.
Fazit: So unterscheiden sich agiles und traditionelles Arbeiten voneinander
Der steigende Wettbewerb zwingt Unternehmen, schneller zu besseren Ergebnissen zu kommen. Immer mehr Betriebe hinterfragen deshalb die traditionellen Methoden, um Projekte abzuwickeln. In der kurzlebigen Softwarebrache haben sich agile Modelle wie Scrum oder Kanban bereits bewährt. Sie versprechen, aus behäbigen Top-Down-Organisationen, flexible und dynamische Unternehmen zu machen. Die Unterschiede zwischen der traditionellen und der agilen Arbeitsweise sind enorm. Doch nicht immer sind Scrum und Co die bessere Wahl.
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